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Ich habe mich bekehrt

Ich habe mich bekehrt – mit einem solchen Bekenntnis beginnt für viele das Leben als Christ. Und das ist zunächst auch richtig so: Wer sich nicht bekehrt, lebt verkehrt!

Ich habe mich bekehrt – eines fällt dabei allerdings auf: Zweimal ist in dieser Aussage von mir die Rede. Aber kein Wort davon, was der Herr in meinem Leben getan hat.

Wo ist das Problem? werden jetzt viele Christen fragen. Natürlich ist es Jesus Christus, der alles für uns getan hat. Er ist für mich Mensch geworden, gestorben und auferstanden. Er hat mich so geführt, dass ich sein Wort gehört habe. Aber jetzt muss ich mich von der Sünde ab- und ihm zuwenden. Jetzt muss ich mich für Jesus entscheiden. Jetzt muss ich ihn in mein Leben hereinlassen. Das ist der kleine, aber entscheidende Teil meiner Erlösung, den Gott mir selbst überlässt. So zumindest sehen es viele evangelikale Christen, vor allem aus dem Bereich der täuferisch gesinnten Freikirchen. Und sie übersehen damit die Tatsache, dass in der deutschen Bibel das Wort „Entscheidung“ im Zusammenhang mit unserer Erlösung an keiner Stelle vorkommt. Im Gegenteil: Es ist Gottes Werk, wenn ein Sünder zu Christus findet. „Weißt du nicht , dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“, fragt Paulus in Römer 2,4. Noch deutlicher wird er im 9.Kapitel Vers 16: „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Gerettet werden wir also nicht aufgrund unserer Willensentscheidung und auch nicht deshalb, weil wir bei der Evangelisation nach vorn gelaufen sind. Dass ich zum rettenden Glauben finde, liegt allein an Gottes Erbarmen. „Die Tür ist offen, ich habe sie aufgemacht. Jesus, du lebst in mir mit all deiner Macht.“ Lieder wie dieses haben wir einst im Jugendkreis gesungen. Erst viel später fiel mir auf, dass die Bibel den Sachverhalt genau anders herum schildert: Nicht Lydia öffnete ihr Herz für Jesus, sondern der Herr tat ihr das Herz auf (Apostelgeschichte 16,14).

Wenn ich Mitchristen darauf hinweise, dass der Begriff der Entscheidung in der Bibel gar nicht vorkommt, dann wird oft eingewendet: Der Begriff vielleicht nicht, aber die Sache. Und in der Tat schildert die Bibel immer wieder, dass Menschen in der Entscheidungssituation stehen: Wollt ihr zu Gott gehören oder nicht? Beim Landtag zu Sichem stellte Josua die Israeliten vor die Entscheidung: „Gefällt es euch nicht, dem Herrn zu dienen, so wählt euch heut, wem ihr dienen wollt: Den Göttern, denen eure Väter gedient haben oder den Göttern der Amoriter!“(Josua 24,16) Und als sich viele Nachfolger Jesu von ihm abgewendet hatten, stellte er auch den zwölf Jüngern die Entscheidungsfrage: „Wollt ihr auch weggehen?“ Beachten wir aber: Die Israeliten hatten Gott längst aus der Sklaverei in Ägypten befreit, er hatte mit ihnen am Sinai einen Bund geschlossen und sie zu seinem Volk gemacht. Und die zwölf Jünger hatte der Herr Jesus zuvor einzeln erwählt und berufen. Die Entscheidungsfrage lautet also nicht: Willst du Gott gehören? Sie lautet vielmehr: Willst du ihm treu bleiben? Und diese Frage stellt sich auch uns jeden Tag.

Bei Evangelisationen wird oft aus Offenbarung Kapitel 3 Vers 20 zitiert, wo der Herr sagt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ Der Herr, so wird das oft ausgelegt steht bei unbekehrten Menschen vor verschlossenen Türen. Erst wenn wir uns entschließen, unsere Türen bzw. Herzen zu öffnen, kann Christus in unser Leben kommen. Doch das Gegenteil ist richtig. Erst wenn der Herr uns, wie damals der Lydia, das Herz auftut, können wir Christus annehmen. Denn die Worte in Offenbarung 3 richten sich gar nicht an Ungläubige. Der Herr spricht gläubige Christen an, die aber lau geworden sind, träge im Glauben und obendrein ziemlich selbstgerecht. Die sollen jetzt Buße tun, nur dann wird Christus zu ihnen kommen und mit ihnen das Mahl der Vergebung feiern.

Schon das Alte Testament wusste: Es ist nicht unsere Entscheidung, wenn wir zu Gott kommen. Es ist seine Liebe, dass er uns zu sich zieht (Jeremia 31,3). Ja, nur wenn Gott uns bekehrt, können wir uns selbst bekehren. Nicht unser Wille ist heilsentscheidend, sondern Gottes Wille. Martin Luther hat eines seiner wichtigsten Bücher Vom „Unfreien Willen“, darüber geschrieben. Engagiert erklärt er darin seinen damaligen humanistischen Widersachern: Unser Wille ist von der Sünde so verdorben, dass er sich gar nicht mehr für Gott und das Gute entscheiden kann. Und nur Gott alleine kann uns befreien.

Wenn dem aber so ist, warum ist dann aber die Bibel voll mit Aufforderungen, sich zu bekehren? Und warum rufen wir in der Predigt dann auch heute noch zur Umkehr und Bekehrung auf? Ganz einfach deshalb, weil Gott genau durch diese Predigt Bekehrung, Umkehr und Glauben wirkt. Aber eines müssen wir dabei immer bedenken: Eine Predigt, die zur Bekehrung aufruft, richtet sich nicht an den menschlichen Willen und schon gar nicht an das Gefühl. Die Bekehrungspredigt richtet sich an das menschliche Gewissen. Sie konfrontiert den Menschen mit Gottes Gesetz und zeigt ihm seine Sünde auf. Und sie malt ihm, um mit Paulus zu sprechen, Jesus Christus als den Gekreuzigten vor Augen. Als den, der unsere Schuld getragen und die Versöhnung mit Gott erwirkt hat. So schafft Gott durch die Verkündigung von Gesetz und Evangelium Glauben und Umkehr. Immer wieder dürfen wir es erleben, dass Menschen durch diese Predigt zum Glauben kommen, sich von der Sünde abwenden und ein Leben unter der Führung des Heiligen Geistes beginnen. Ein Leben, in dem man freilich bis zum letzten Tag immer wieder aufs Neue auf Gottes Vergebung angewiesen ist, und in dem man immer von konkreter Schuld umkehren muss. Denn nicht der furiose Start in der Bekehrung ist das Wesentliche am christlichen Glauben, sondern die Treue bis zum Ende.

Manche Seelsorger lassen Menschen, die zu Jesus Christus kommen, diese ihre Glaubensentscheidung mit Datum und Unterschrift besiegeln. Im Falle einer Glaubenskrise sollen sie dann auf ihre Unterschrift sehen und neu zur Gewissheit kommen: Ich habe mich tatsächlich bekehrt. Aber so baut man gerade auf Sand. Denn die meisten Krisen hängen ja gerade mit unseren Zweifeln zusammen. Deshalb müssen wir es lernen, gerade nicht auf uns selbst zu sehen, sondern auf Christus. Unsere Gewissheit darf nicht an unseren sogenannten Entscheidungen hängen. Sie muss auf Gottes Zusagen beruhen. Und dieser Glaube wird uns durch den Zuspruch der Verheißungen aus Gottes Wort, durch das Wort der Vergebung in der Beichte und im Heiligen Abendmahl gestärkt.

Für viele Christen sind das heute ungewohnte Gedanken. Sie sehen in der Bekehrung nicht so sehr Gottes Wirken, sondern die eigene Entscheidung. Doch das ist weder biblisch noch reformatorisch. Vielmehr will hier der alte Mensch ein bisschen Autonomie gegenüber Gott behalten. Entsprechend meint man, den Menschen Gottes Wort entweder mit allen Mittel schmackhaft machen zu müssen oder setzt sie mit drängender, gesetzlicher Verkündigung unter Druck, um sie zu einer Glaubensentscheidung zu bringen. Natürlich wird beides auf Dauer keine guten Früchte bringen.

Wenn ich dagegen darauf vertraue, dass Gottes Wort Umkehr und Glauben wirkt, dann kann ich es zuversichtlich verkündigen. Und ich kann auch vertrauensvoll darum beten, dass Menschen zum lebendigen Glauben kommen. Denn dort, wo man meint, dass Christus nur dann in ein Menschenleben kommt, wenn sich ein Mensch dafür willentlich dafür öffnet, da hat das Gebet für die Bekehrung eines Menschen eigentlich keinen Sinn. Stattdessen ist hier die Gefahr groß, dass man versucht Menschen zu manipulieren oder unter Druck zu setzen. Und manch eine gut gemeinte evangelistische Aktion ist dieser Gefahr schon erlegen. Vertrauen wir lieber darauf, dass es Gottes Wort ist, dass die Menschen zur Bekehrung und zum lebendigen Glauben bringt.