Die christliche Zukunftserwartung

„Christentum und Islam“

Gegenüberstellung der theologischen Grundaussagen von Christentum und Islam in einzelnen Abschnitten – Teil 7 von 9

Was dürfen wir hoffen? –  Von der Vollendung

Die irdische Unvollkommenheit auch des christlichen Lebens lässt uns sehnlich nach der Vollendung Ausschau halten. Denn wir stehen immer noch unter einem großen „Noch nicht“: „Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden“ (1.Johannes 3,2). Christlicher Glaube drängt auf die Vollendung aller Dinge hin, „wir leben im Glauben und nicht im Schauen“ (2.Korinther 5, 7). Unser Erkennen ist Stückwerk (1.Korinther 13, 12), unser Glaube oft Kleinglaube ( Matthäus 8,26) und bedroht von Zweifel, Versuchung und Unglauben, unser Tun ebenfalls Stückwerk, wir selbst bleiben „Sünder und Gerechte zugleich“. Wir leiden unter unserer Unvollkommenheit als Menschen und Christen, wir unterliegen Nöten und Schmerzen, Krankheiten und schließlich dem Tod. Es ist wahr: „Hoffen wir in diesem Leben allein auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen“ (1.Korinther 15, 19). Wir haben den Tod noch vor uns. Unser jetziger Zustand verlangt nach Vollendung. Aber Vollendung ist uns verheißen. Christus sagt uns: „Ich lebe und ihr sollt auch leben“ (Johannes 14, 19). Weil er der „Erstgeborene unter vielen Brüdern“ (Römer 8, 29) ist, wird er uns auch vom Tod auferwecken. Darauf dürfen wir hoffen, das ist der ganz positive Grundton christlicher Zukunftserwartung. Der eigentliche Grund christlicher Hoffnung liegt also nicht in uns, sondern in Christus und in Gott, der das gute Werk, das er in uns angefangen hat, vollenden wird (Philipper 1,6); er hat uns durch die Auferweckung Jesu Christi von den Toten die Verheißung gegeben, dass er auch unsere „sterblichen Leiber lebendig machen wird durch seinen Geist“ (Römer 8, 11). „Ich lebe und ihr sollt auch leben“(Johannes 14,19). Eine Vielzahl biblischer Aussagen weist in diese Richtung, besonders das letzte Buch der Bibel mit der herrlichen Verheißung des himmlischen Jerusalem und einer neuen Schöpfung (Offenbarung 21).

Es sei aber nicht verschwiegen, dass nicht nur vom ewigen Leben die Rede ist, sondern auch vom Jüngsten Gericht : „Er wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten“ (Apostolisches Glaubensbekenntnis). Automatisch kommen nicht „alle, alle in den Himmel“(Schlagertext). Zwar will Gott nicht, dass irgendjemand verloren geht, vielmehr will er, „dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Timotheus 2, 4). Aber es steht nirgends, dass alle diese Chance ergreifen. Dennoch dürfen wir Christen hoffen. Wir stehen im Gericht nicht allein, sind nicht auf uns und unsere Werke geworfen. Christus wird den Seinen zur Seite stehen. „Er hat sich für uns gegeben zur Erlösung“ (1.Timotheus 2,6), er will unser Fürsprecher sein im Gericht (Römer 8,34). Es heißt von ihm: „Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet“ (1.Thessalonischer 1, 10). Und schließlich beruht der entscheidende Trost für uns darin: In seiner, nicht in unserer Hand liegen das Gericht und das Urteil (Matthäus 7, 21). Der Weltenrichter ist kein anderer als der Gekreuzigte, der die Nägelmale trägt. Er wird ein barmherziger Richter sein für die, die an ihn geglaubt haben. Er richtet sie nicht hin, sondern auf. Er wird sogleich ihr Fürsprecher sein, so dass wir mit Paulus sagen dürfen: „Ist Gott und ( Christus) für uns, wer mag wider uns sein? (Römer 8,31) Wer glaubt, der ist deshalb im Grund schon durch das Gericht hindurchgegangen und braucht es nicht mehr zu fürchten. Das verändert alles für uns zum Guten. Wir dürfen seiner Barmherzigkeit auch im Gericht vertrauen, denn er ist nicht gekommen, „dass er die Welt richte, sondern dass durch ihn die Welt gerettet werde“ (Johannes 3,17; 12,47).

Dabei bedeutet das ewige „Leben“ nicht nur eine zukünftige, unbegrenzte zeitliche Verlängerung unseres Lebens, sondern dessen wesenhafte Verwandlung. Diese soll und kann nach der Verheißung Christi schon da beginnen, wo wir durch den Glauben Gemeinschaft haben mit Christus und Anteil bekommen an seinem Leben. „Wer glaubt, der hat das ewige Leben“ (Johannes 6, 47). Christi Verheißung: „Ich lebe und ihr sollt auch leben“ (Johannes 14, 19) gilt da für uns, wo wir wenigstens ansatzweise in sein selbstloses dienendes Leben hineingenommen werden. „Ewiges Leben“ heißt also vor allem echtes, wahres Leben in der Nachfolge Christi. Dieses Leben mit Christus hat ewigen Bestand. Es hat sogar schon das Gericht hinter sich gelassen (Johannes 5, 24).

Deswegen erwarten wir keine Allversöhnung. Wo das Leben mit Christus nicht schon hier anfängt, wo es bei unserer sündigen Selbstbehauptung, unserem alten Egoismus bleibt, da haben wir dieses Leben nicht, da begegnet uns in der Bibel die erschreckende Rede von der Verdammnis. Die Bibel sagt unüberhörbar, dass es Menschen geben kann, die Gottes Gnade nicht annehmen wollen. Wenn es dahin kommt, liegt es nicht an Gott, sondern an ihnen selbst (Johannes 3, 18). Was sie dann erwartet, deutet die Bibel wohl in Bildern an Feuer, Kälte (Matthäus 13, 42; 22,13 u.ö.), jedoch ohne dabei auf die Einzelheiten besonderen Wert zu legen. Luther hat das Wesentliche getroffen, wenn er die Frage, was die Hölle sei, so beantwortet: „Äußerste Abwesenheit Gottes und der Schrecken eines schlechten Gewissens“.

Der ganze Nachdruck der biblischen Botschaft liegt aber auf der Hoffnung der ewigen Vollendung: Dabei belässt es die Bibel auch hier bei Andeutungen, wohl wissend, dass jede weitere Ausmalung unmöglich ist und uns in Widersprüche verwickelt, ja der Lächerlichkeit preisgibt (vergl. z.B. die Zeugen Jehovas). Mit den Mitteln der gegenwärtigen Welt lässt sich die Neuschöpfung Gottes nicht zutreffend beschreiben. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise (…)“ (1. Korinther 13,12).

Dieser Verzicht auf Ausmalung hat aber noch einen tieferen Grund: Auf die Einzelheiten kommt es nämlich gar nicht an. Sie sind nicht die Hauptsache für uns beim ewigen Leben. Die liegt in der vollkommenden Gottesgemeinschaft: „Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein (…)“ (Offenbarung 21, 3). Wir werden ihn schauen, von Angesicht zu Angesicht. Von Anfang an nach seinem Bild geschaffen gehören wir unauflösbar mit Gott zusammen. Wir sind als Christen in diesem Leben mit ihm verbunden im Glauben, aber zugleich auch immer noch von ihm getrennt: Sehen dürfen wir ihn noch nicht. Dann aber werden wir in die unmittelbare Gegenwart und Gemeinschaft mit Gott und Christus gelangen, „bei dem Herrn sein allezeit“ (1. Thessalonicher 4, 17; Philipper 1, 23). „Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1.Johannes 3, 2).

Darin besteht wesentlich die ewige Seligkeit, die wir erwarten. Alles andere, was auch dann noch gesagt wird, vom Abwischen der Tränen bis zur Überwindung des Todes (Offenbarung 21, 3), ist Ausdruck dieser letzten, bleibenden Gemeinschaft mit Gott. In Gott werden wir „des Herzens endgültige Glückseligkeit“ finden, das Leben und volle Genüge haben“ (Johannes 10, 10).

Islamische Zukunftserwartung

Der Islam kennt auch eine ewige Zukunft, beschreibt sie jedoch ganz anders. Hier herrscht eine ganz andere Grundstimmung. Warnung und Angst vor dem drohenden Gericht stehen im Vordergrund, nicht Hoffnung. Im Blick auf das Gericht überwiegt der drohende Ton, denn der Mensch steht ja mit seinen Werken Allah allein gegenüber. Ohne Gewissheit der Vergebung, auf sich und seine Taten angewiesen, ist der Mensch im Islam davon abhängig, dass seine guten Taten seine bösen Taten überwiegen. Jeder einzelne ist dabei ganz für sich selbst und sein Heil oder Unheil verantwortlich. Allah hat alles genau registriert, was der Mensch getan oder nicht getan hat, aber keiner weiß, ob es genügt. Es kann deshalb keine Gewissheit geben, ob man im Gericht besteht oder nicht.

Ob Allah ihm im Gericht gnädig sein wird, kann er nicht wissen. „Siehe, vor der Strafe deines Herrn ist niemand sicher“ (Sure 70, 28). Es bleibt bei einer letzten Ungewissheit. Allah ist in seiner Entscheidung ganz frei, und es wird nicht gesagt, ob ihm überhaupt etwas daran liegt, dass Menschen gerettet werden.

So ohne Heilsgewissheit vor den unbestechlichen Richter treten zu müssen, das lässt den Menschen zutiefst erzittern. „Was mich bei meinen ersten Islamstudien öfters erschüttert hat, war die Ungewissheit und Verzagtheit, die in den Äußerungen so vieler großer Muslime auf dem Totenbett zutage trat.“ (J. Christensen, Christuszeugnisse für Muslime, Seite 202). Mohammed verstand sich deshalb konsequent als „Warner“, der die Menschen auf den furchtbaren Ernst des Jüngsten Gerichtes aufmerksam machte, damit sie diese Drohung ernst nehmen und so vielleicht davor gerettet werden.

Bei der Beschreibung der ewigen Verdammnis und Seligkeit ist der Koran weit weniger zurückhaltend als die Bibel. Hier wird beides mit kräftigen, orientalischen Farben ausgemalt, insbesondere die Hölle : Flammen, ihr unaufhörliches Brennen, die Feuerqualen, der Durst, die Schreie der Gequälten, ihre Hoffnungslosigkeit, all das wird viele Male geschildert, „vor Augen gemalt“ und so den Menschen wirklich „die Hölle heiß gemacht“ (Suren 56, 41ff.; 82; 84; 99; 111 u.ö). „Siehe, der Baum Sakkum ist die Speise des Sünders; wie geschmolzenes Erz wird er kochen in den Bäuchen, wie siedendes Wasser kochen. Fasst ihn und schleift ihn mitten in den Höllenpfuhl. Alsdann gießt über sein Haupt die Strafe des siedenden Wassers. (Sure 44, 43-47). „Und für die, welche nicht an ihren Herrn glauben, ist die Strafe Dschehennams; und schlimm ist die Fahrt (dorthin). Wenn sie in sie hineingeworfen werden, hören sie sie brüllen vor Sieden“ (Sure 67, 6f.). „Siehe, Dchehennam ist ein Hinterhalt, für die Übertreter ein Heim, zu verweilen darinnen Äonen. Nicht schmecken sie in ihm Kühlung noch Getränk außer siedendem Wasser und Jauche – eine angemessene Belohnung!“ (Sure 78, 21-26) “ Die einen Gesichter werden an jenem Tage niedergeschlagen sein, sich abarbeitend und plagend brennend und glühendem Feuer, keine Speise sollen sie erhalten außer vom Dariastrauch, der nicht fett macht und den Hunger nicht stillt“ (Sure 88, 2-7). Diese durchaus wirkungsvolle Drohpredigt setzt Mohammed bewusst ein zur Motivierung der Menschen: Hütet euch davor, dass euch das nicht geschieht!

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem Paradies. Mit der Vorstellung einer Oase in der Wüste veranschaulicht der Koran den Menschen immer wieder das Heil; als Ruhe nach einer beschwerlichen Reise, als Schatten nach dem Brand der Sonne, Wasser und Wein im Überfluss nach dem Durst, Kühlung nach der Hitze, Bedienung und Bewirtung durch schöne und willige Dienerinnen (Suren 43; 55; 83; 88 u.ö.). „Siehe die Gottesfürchtigen kommen in Gärten und Wonne, genießend, was ihr Herr ihnen gegeben hat. Und befreit hat sie ihr Herr von der Strafe des Höllenpfuhls. Esset und trinket und wohl bekommt`s – für euer Tun! Gelehnt auf Polstern in Reihen; und wir vermählen sie mit großäugigen Huris“ (Sure 52, 17-20) . „In Gärten der Wonne, eine Schar der Früheren und wenige der Späteren auf durchwobenen Polstern, sich lehnend auf ihnen, einander gegenüber. Die Runde machen bei ihnen unsterbliche Knaben mit Humpen und Eimern und einem Becher von einem Born. Nicht sollen sie Kopfweh von ihm haben und nicht das Bewusstsein verlieren. Und Früchte wie sie sich erlesen, und Fleisch von Geflügel, wie sie`s begehren, und großäuige Huris gleich verborgenen Perlen als Lohn für ihr Tun“(Sure 56, 12-23) „Siehe, für die Gottesfürchtign ist ein seliger Ort, Gartengehege und Weinberge, Jungfrauen mit schwellenden Brüsten, Altersgenossinnen und volle Becher“ (Sure 78,31-34). Wahrhaft verlockende Bilder, wenn auch der Eindruck von einem überwiegend sinnlichen Genuss im Paradies sich aufdrängt. Die paradiesischen Freuden liegen durchaus in der Verlängerung des irdischen Lebens, stellen dessen Steigerung, aber keine wesenhafte Verwandlung dar.

Was aber völlig fehlt – und es fällt bei der sonstigen Anschaulichkeit der Schilderung um so mehr auf – ist eine Erwähnung Allahs selbst. Er taucht auch im Paradies nicht auf, wird nicht sichtbar. Von einer Gottesschau reden nur islamische Mystiker, von einer Gottesgemeinschaft ist gar nicht die Rede. Damit fehlt für unser Verständnis des „Himmels“ das Herzstück.

Ergebnis

Christliche Anfragen an die islamische Zukunftserwartung: Werden die Erlösten dieses allzu materiellen Paradieses nicht überdrüssig werden? Soll das wirklich alles sein? Oder kommt Mohammed mit dieser Beschreibung der Vollendung den natürlichen menschlichen Wünschen nicht allzu sehr entgegen? Fällt das nicht weit hinter die beseligende Gemeinschaft mit Gott zurück, die wir erwarten? Darf man schließlich die ewige Seligkeit so als „Lockmittel“ zum Guten einsetzen? Halten Peitsche und Zuckerbrot als Mittel und Antrieb zum rechten Verhalten die Menschen nicht zu sehr bei ihrem frommen Eigennutz, der doch eigentlich durch die Religion überwunden werden sollte? (vergl. christliche und islamische Ethik!)

 

 

 

 

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